Hinterm (Latex-)Horizont wird’s spannend

Eve und die Latexwesen aus einer anderen Welt

Prolog

Das Ding kreist und kreist, wie lange eigentlich noch? Ich kann den Koffer auf dem Ausgabeband Nummer 1 vom Terminal 2 von meinem Platz aus schon eine ganze Weile gut sehen. Mmh, warum holt den keiner ab? Sieht noch neu aus, soweit ich das von hier aus beurteilen kann. Schon komisch, so was ‚vergisst‘ man doch nicht einfach!

Als frisch gebackene Zollbeamtin im mittleren Dienst soll Frau ja einen Blick auf solche Dinge hier haben. Hab‘ ich. Mit meinen 23 Lenzen sind meine Augen ja auch schließlich noch gut genug dafür. 🙂

Seit nunmehr 6 Monaten nach der Ausbildung bin ich hier in der Zollstation des Frankfurter Flughafens nun fest angestellt, mittlerweile sogar beamtet auf Lebenszeit. Meine Kollegen, so naja. Man, also ich, eine junge Frau, kommt mit ihnen aus, aber ich bin halt immer noch das neue Küken. Wochenendschichten alle 2 Wochen sind da auch normal. Ist mir eigentlich auch ganz recht, ich lebe eh alleine und so hab‘ ich auch mal in der Woche Zeit, tagsüber ins Fitnessstudio meiner Wahlheimat Offenbach zu gehen. Oder die nahe Frankfurter Innenstadt heimzusuchen. Shoppen ist da allerdings nicht viel drin, so hoch ist mein Gehalt nun leider auch noch nicht. Was soll’s, ist halt so, muss wohl noch ein paar Dienstjahre hinter mich bringen, ehe es gut aussieht am Monatsende auf dem Konto. Aber ich komme schon ganz gut hin, bisschen bleibt sogar was übrig. 🙂

1.   Kofferkreiseln und ein merkwürdiger Inhalt

Der kreiselt immer noch, der Koffer. Müssen jetzt schon 6 Stunden sein! Begann jedenfalls kurz nach Dienstbeginn 14Uhr, als die Maschine aus Griechenland ihr Gepäck hier bei uns ablud. So langsam werde ich echt neugierig. Holt den wirklich niemand ab? Vielleicht war jemanden dieser Augustsonntagnachmittag wichtiger als das gute Stück? Och Menno, wird wohl wieder an mir hängen bleiben. Laut Dienstvorschrift sind solche Stücke dann später bei uns im Zollbüro zu öffnen, nach gefährlichen, verderblichen oder Schmuggelgütern zu untersuchen und dann in den Tagen darauf zum Fundbüro zu bringen. Vielleicht meldet sich ja der Besitzer ja heute noch, viel Hoffnung habe ich jetzt kurz vor Dienstschluss aber nicht mehr dafür.

Ich hab’s geahnt, meine beiden Kollegen haben ja heute Abend noch was vor. „Eve, kümmerst Du Dich bitte um den großen Koffer da draußen? Dürfen wir Dich ausnahmsweise alleine damit lassen? Wir müssen leider weg. Weißt schon, sind eingeladen auf einer Hochzeitsfeier eines früheren Kollegen.“ Darüber haben sie sich schon den halben Abend unterhalten, ob sie es noch schaffen werden vorm offiziellen Ende, muss ein besonderer Kollege gewesen sind. Ist jetzt gegen die Dienstvorschrift, aber wenn man so nett gefragt wird und bei dem Grund, klar mach‘ ich.

23Uhr, der Flughafen macht dicht, Nachtflugverbot. Die letzten Gepäckstücke weiter vorn werden noch auf die Bänder geworfen, eine halbe Stunde vor Mitternacht ist die Halle endlich leer. „Los Jungs, macht schon, haut ab. Viele Grüße unbekannterweise, ich kümmere mich gleich um das kreiselnde Teil da draußen auf dem Band.“ Und bin alleine. Ich habe Zeit, Gott sei Dank fahren die S-Bahnen bis kurz nach 1Uhr alle Viertel- bis halbe Stunde noch weiterhin Richtung Offenbach. Mich treibt ja nichts, wartet eh nur das leere Bett zu Hause.

Oh wow, der Koffer ist aber schwer! Das müssen mehr als die erlaubten 23kg sein. Also erst mal rein in die gute Stube und begutachten, unsere Zollstation hat dafür einen hellen großen Tisch. Die Türen kann ich getrost zumachen, kommt eh keiner mehr.

Kein Kofferanhänger dran, schade. Nur die Papierbanderole, die die Fluggesellschaft bei der Aufgabe des Gepäckstückes dran gebastelt hat. Darüber lässt sich zu mindestens der Passagier finden und ob er oder sie überhaupt mitgeflogen ist. Mach ich morgen, ich kümmere mich erst mal entsprechend der Dienstvorschrift um den Inhalt.

Mist, natürlich verschlossen, aber wozu hat man hier das Knacken solcher Schlösser in den letzten Monaten gut gelernt? Kaum 4 Minuten später habe ich alle drei Verschlüsse offen, der große Augenblick steht bevor. So etwas ist meist völlig unspektakulär, es erwarten einen normalerweise nur Berge voller Wäsche. Heute fühle ich mich aber irgendwie aufgeregt dabei. Vielleicht weil der Koffer so schwer war, so neu aussieht oder einfach nur, weil ich alleine bin? Jedenfalls meine Neugier wird langsam unerträglich, kenne ich gar nicht von mir.

Voila, los, Sesam öffne Dich!

Oha, luftdichte Zipper-Tüten, lauter durchsichtige Zipper-Tüten! Mit meist schwarzen, aber auch einigen farbigen Sachen drin. Ungewöhnlich. Reinschauen muss ich aber, schon wegen der Dienstvorschrift, ist doch wohl klar, oder?

Auf, Du liebe Tüte, zeig‘ schon, was in Dir steckt. Diesen Geruch, dieses weiche, glatte nach Vanille riechende Material kenne ich! Während der Ausbildung hatten wir auch Materialkunde und das hier sieht mir sehr nach behandeltem Gummi aus. Mal richtig auspacken, ein schwarzglänzendes kurzes Röckchen mit Bund und schwingenden Falten kommt zum Vorschein. Sieht irgendwie hübsch aus! Mir gefällt es schon rein optisch, als ich es vor mich hinhalte. Und dass, obwohl da jemand oben gerade mächtig in meinem Kopf „Ui, verdammt verrucht! Geht gar nicht!“ murmelt.

Ah ja, da ist mal wieder etwas in meinen Gedanken wohl gerade aufgewacht. Ich mag ja meine beiden Jungs da oben in meinen Gedanken, die mir schon paar Jahre oft beratend zur Seite stehen. Dieses Mal sind sie sich doch wohl mächtig uneinig. “Wow, was für ein geiles Stück! Wie mag das an Dir aussehen?“. Hey, könnt ihr da oben mal ruhig sein? Ich muss überlegen!

Ui, wusste gar nicht, dass mich so etwas ansprechen könnte! Alleine schon das Streichen über das glatte Material löst so ein besonderes Gribbeln aus, merkt ihr es etwa da oben auch? Offensichtlich ja, denn nach kurzer Diskussion empfehlen sie mir umgehend, das Röckchen doch mal anzuprobieren, ich wäre ja eh alleine, der Spiegel im Büro ist groß genug. Na gut, wenn ihr meint, was kann schon passieren?

Naja, über einer Zolluniform wirkt das jetzt nun nicht wirklich gut, aber meine Beiden da oben versehen mich doch blitzschnell mit der Fähigkeit, sich die mal wie bei einem Bild einfach wegzudenken und stattdessen ‚Eve, nackt mit schwarzem Röckchen‘ in mein Gehirn zu projizieren. Klappt besser als erwartet, die Falten können sogar richtig schwingen. Und es fühlt sich immer noch gut an! Und das Gribbeln wird stärker. Huch, und zu meinem Erstaunen löst es auch etwas in meiner Mitte aus, ein bisschen.

Mit dem Röckchen weiter an, (Nein, das will ich jetzt noch nicht ausziehen!), schau ich mal in ein paar weitere Tüten. Muss ja wenigstens stichprobenartig da heute mal das alles durchschauen, ob was Verderbliches oder gar Schmuggelware dabei ist, sagt mein ‚Dienstgewissen‘.

Oh là là, da hat jemand seine Gummisammlung verschickt! Jede Tüte enthält ein Stück aus diesem glatten Material, jedes Mal schlägt mir beim Öffnen dieser typische Geruch entgegen. Und sie scheinen kein Ende zu nehmen! Keine Ahnung, wie viele ich jetzt schon begutachtet habe, mehr als 10 bestimmt. Und bei einigen kann ich ohne auszupacken nicht mal im Ansatz erkennen, was das sein könnte. Wie im Rausch öffne ich nach und nach immer mehr, schnüffle, nicke, der Haufen wird größer und größer. Und es liegt immer noch ein kleines Gummi-Tüten-Meer im Koffer direkt vor mir!

Mein Blick fällt auf die Uhr, oh Gott, schon 20min vor 1Uhr! 1:03uhr fährt die letzte S-Bahn, der Bus vor der Tür vom Terminal 2 geht 5 vor um dorthin, dann erst wieder 2Uhr. So spät wollte ich nun eigentlich nicht erst nach Hause kommen. Wären jetzt also noch knapp 10min, bis ich von hier aus losmuss.

Was mache ich nur? Einer, der Mutigere von da oben rät, „Werfe alles wieder in den Koffer, stelle ihn ins Lager, kümmere Dich morgen weiter drum. Aber bitte, nehm‘ das Röckchen mit!“. Eine geile Idee, in der Tat, geht aber nicht, dafür bin ich als Beamtin viel zu ehrlich, wisst ihr doch!

Also alles wieder rein in den Koffer, ich bin mir sicher, dass bei den restlichen Tüten da nun auch nichts außer Gummi drin sein wird, von außen war vorhin eh nichts anderes als das zu sehen. Mit einem Seufzen ziehe ich das Röckchen auch wieder aus, streiche es noch einmal glatt, verstaue es in der letzten, leeren Tüte, verschließe sie gut und lege sie ganz oben auf den Haufen im Koffer. Schade, das Gribbeln im Kopf und weiter unten war irgendwie schön, hätte ich gern wieder, etwas hat mich berührt.

Nun ab mit dem Köfferchen in unsere Asservatenkammer, „Bitte stelle ihn ganz hinten in die Ecke hin!“, flüstert eine Stimme im Kopf, mach ich, warum auch immer. Und voller Gedanken eile ich alsbald Richtung Bushaltestelle vorm Terminal…

#ein Koffer und seine Geschichte

… und kann es kaum erwarten, am Montag wieder im Dienst zu sein. Erster Blick ins Lager, ist der Koffer noch da? Jaaaa, sehr gut.

Meine beiden Kollegen von gestern, immer noch ganz happy. Sie schwelgen sich die ganze Zeit gegenseitig wegen der Hochzeitsfeier an. Sind auch nicht ganz so ‚dienstfähig‘, wie das unser Dienstherr gern erwartet. Was soll‘s.

„Ging alles klar mit dem Koffer gestern Abend?“, fragt der eine. „Ja natürlich, ich habe ihn noch gut untersucht, nichts Bedrohliches drin. Ich schau dann mal später nach dem Passagier, ob ich was rausfinde.“, bescheide ich ihn lächelnd. „Danke, Du machst das schon.“, kam matt aus der Ecke, wo außer viel Kaffeekochen heute garantiert keine größeren Aktivitäten mehr zu erwarten waren, Zeit für ein paar Recherchen zwischendurch.

Schon spannend. Als Beamtin in einer solchen Station ist das gar kein großes Problem, Flugnummer und Gepäcknummer eintippen und schon steht alles Wissenswerte auf dem Bildschirm. Eine ‚Helena Christos‘, soso. Hat das gute Stück in Athen aufgegeben und ist dann auch laut der Abflugliste der Fluggesellschaft in die Maschine gestiegen, alles ganz normal. Muss also hier auch angekommen sein, kann schließlich ja keiner verschwinden so mitten in der Luft. Mal schauen, ob ich ein Passabgleich hier bei der Ankunft sehe. Kommt zwar aus einem EU-Staat, vorzeigen muss man den Ausweis ja dann aber trotzdem. Seltsam, nichts, es gibt keine Helena Christos, die gestern hier aus Griechenland in Deutschland eingereist ist. Auch keine ähnlich klingende aus irgendeinem Land zu dieser Zeit. Geht doch gar nicht, hab‘ ich jetzt eine international gesuchte Terroristin gerade enttarnt? Melde ich die jetzt? Mmh, blöd, dann müsste ich das ja auch mit dem Koffer mitteilen. Und den muss ich mir unbedingt noch mal anschauen, ist mir heute Nacht im Bett klar geworden.

Konnte kaum schlafen deswegen, dieses glatte weiche schwarze Material förmlich in meinen Händen spürend. „Wie mag sich das auf der bloßen Haut anfühlen?“, fragt mal wieder dieses vorwitzige Teil da oben in meinem Kopf und auch von weiter unten wurden zu meinem Erstaunen seit langem mal wieder recht animalische Bedürfnisse angemeldet.

Terroristin? Besser ist das, da schaue ich lieber erst mal selbst, hab‘ so etwas schon 2-mal im letzten Halbjahr gemacht. War aber am Ende nichts. Aber, wenn ich es dann doch melden muss, entscheide
-ich- den Zeitpunkt, nicht andere.

Mal überlegen, Plan machen: Am besten, ich lass mir erst einmal das Passbild von Griechenland zusenden und dann das Überwachungsvideo vom Boarding. Als nächstes schaue ich mir unseres von der Ankunft des Flugzeuges an. Ich werde Dich schon zu sehen bekommen, Helena! Dann wirst Du mir erklären, warum Du hier so einen Koffer stundenlang hast Karussellfahren lassen.

So, ist in die Wege geleitet, muss mich paar Stunden gedulden. Erst mal allerlei Passagiere mit Zigarettenschmuggel überführen, unser Staat braucht schließlich auch noch etwas Geld. Auf meine Kollegen kann ich mich da wahrlich heute nicht mehr verlassen, nix los bei denen.

Sie gehen auch überpünktlich, um den Bus kurz vor 23Uhr zu bekommen, murmeln was von Überstundenabbau. Augenblicklich ist eh nichts mehr los, nur 1 Flieger ist gerade noch gelandet, den schaffe ich auch alleine. Dauert aber wohl noch etwas, bis die Gepäckstücke bei uns auf dem Band landen, es kommen gerade erst einmal ein paar Passagiere in der Halle an. Zeit mal zu schauen, ob schon was im Postfach ist.

Hey, toll. Da denkt man immer, die Griechen halten nur Siesta, aber nein, da ist ein Bild vom Pass und ein Link zu ihrem Videosystem. Und der nette Hinweis, dass die Daten vom Videosystem von gestern aus Kapazitätsgründen heute um Mitternacht gelöscht werden. Na aber Holla, dann muss ich mich ranhalten. Ach Menno, ein paar mehr Festplatten hätten man denen doch ruhig spendieren können! Oder?

Oha, ja, eine junge Frau, trotz ihrer weißen Haare, die sie als Pony hübsch geschnitten hat. Laut Pass übrigens 25Jahre alt. Und selbst in diesem biometrischen Format richtig attraktiv, muss ich neidlos anerkennen. Wie mag sie in Realität aussehen?

Ein Blick in die Halle, da dreht sich noch kein Band, also klicken wir mal schnell auf den Link, sind noch 45min bis Mitternacht.

Naja Kollegen, ich wollte mir jetzt nicht den gesamten Vormittag auf dem Bildschirm anschauen, hoffentlich haben sie wenigstens das richtige Gateway aufgenommen. Moment, wann flog doch gleich der Flieger? 11:05Uhr, da wird wohl Boarding gegen 10:35Uhr gewesen sein, also gleich mal bis 10Uhr vorspulen.

Eine Menge Leute rennen da vor dem Schalter auf und ab. Nein, keine weißhaarige Frau bisher dabei. Jetzt wird offensichtlich aufgerufen, das eigentliche Boarding beginnt. Ach herrje, alles drängelt sich wie üblich. Schwierig, da den Überblick zu behalten. Wird langsam weniger, bald sind fast alle durch den Schalter Richtung Gangway hindurchgegangen. Nein, immer noch keine junge Frau mit hellen Haaren. Hat sie vielleicht eine andere Haarfarbe inzwischen? Möglich, hoffentlich nicht.

Da ist sie, fast zum Boardingschluss huscht sie ins Bild Richtung Ausgang, zunächst nur von hinten zu sehen. Aber dieses weiße Pony, das muss sie sein! Könntest Du Dich bitte noch einmal herumdrehen? So als ob sie mich hören könnte, schaut sie halbschräg über die Schulter Richtung Kamera. Lächelt schmunzelnd dann in ‚meine‘ Richtung. Ein wirklich hübsches Gesicht, schade, dass sie sich schon wieder wegdreht und dann in den Gängen des Airports verschwindet. OK, jetzt weiß ich wenigstens, wie sie aussieht und dass sie immer noch ihre hellen Haare hat. Sie finde ich dann sicher morgen auf unseren Überwachungsvideos, die werden erst nach 6Monaten gelöscht, Sicherheit lassen sie sich hier schließlich was kosten.

Noch ein Blick raus in die Halle, das Band kreiselt schon eine Weile, sehr viele Passagiere stehen jetzt kurz vor Mitternacht da aber nicht mehr. Naja, haben ein paar vermutlich Glückgehabt, die hier bei mir mit ihren, bestimmt Tonnen von Schmuggelwaren, durchgehuscht sein müssen. Das Video war mir jetzt wichtiger. Mist, ich hätte es mit dem Handy abfilmen können. Zu spät, nun ist die Zeit sicher schon abgelaufen.

So, Dienstschluss, die Rollos zur Zollstation können jetzt zu. Ihr könnt mich mal, noch Zeit bis zum 1Uhr Bus. Auf Koffer, ich kooommme 🙂

Hat brav in seiner Ecke auf mich gewartet, da bleibt er auch erst mal, hab‘ ich beschlossen. Jedenfalls solange diese Helena sich nicht meldet und die 3 Monate noch nicht rum sind, die er hier zur Recherche stehen darf. Was dann passiert, muss ich mir noch überlegen.

Also wuchte ich ihn wieder vor auf den hellen Tisch und pappe auch gleich mal einen ordentlichen Aufkleber drauf, „Zollamtliche Untersuchung“, dazu meinen Namen und das Datum. Den rührt jetzt erst mal keiner mehr an in der nächsten Zeit. Hätte ich schon gestern früh machen sollen, ging ja noch mal gut.

Nun aber, Sesam öffne Dich, darauf habe ich mich den ganzen Tag schon so was von gefreut!

Ah, eine paar Tüten habe ich wohl nicht ganz luftdicht wieder verschlossen, der Duft, der mir entgegenwölckelt ist schon betörend. Und meine beiden Stimmen im Kopf sind auch schon wieder hellwach, sie sind sich dieses Mal einig, ich soll jetzt da mal bisschen herumkramen und ruhig noch ein bisschen mehr von dem Geruch aufsaugen, sie mögen ihn. Oh ja, ich glaube, ich auch!

Die nächste halbe Stunde wühle ich mich schön durch, heute mal nur mit einem Blick für die Farben. Ist ganz viel Schwarzes dabei, aber auch ein paar rote Stücke, etwas blaues und sogar etwas metallisch Grünes. Die da oben fordern sofort ‚Auspacken!!‘. OK, mach ich.

Hervor kommt ein hübsches Kleid mit kurzen Puffärmelchen, schlanker Taille, knielanger Rock und ein schwarzer Miedergürtel noch dazu. Der Spiegel im Bad sieht es mich ganz verzückt vor mich hinhaltend. Nein, für’s Anziehen bliebe jetzt keine Zeit, seid ruhig da oben. Und im Übrigen, das ist Helenas Gewand, nicht meines, das gehört sich einfach nicht. Außerdem habe ich den leisen Verdacht, dass so ein Gummistück nicht ganz einfach anzuziehen und rückstandsfrei danach auch wieder auszuziehen sei. Und empfindlich sieht es wegen der Dünne des Materials auch noch aus. Meine Jungs da oben, besonders der eine, maulen ordentlich. Mir gefällt das auch nicht, aber ich fühle mich besser so. Dieser Kofferinhalt ist mir nur anvertraut. Aber er ist schon geil irgendwie, jedenfalls macht er was mit mir.

Oh, 20min vor 1Uhr, ich muss bald zum Bus. Also alles wieder rein in die Tüten und diese in Koffer, morgen wieder, versprochen.

Heute ist Dienstag, wieder mal die halbe Nacht wachgelegen und über den Koffer nachgedacht. Muss mal wieder ordentlich schlafen! Das Ding beschäftigt einen ganz schön. Aber wenigstens morgen habe ich arbeitsfrei, muss mal einen Tag nicht hier her kommen nach meinem komischen Dienstplan mit jeweils zusammenhängenden 2, 3 und 5 Tage-Arbeitstagen. Immerhin, man, also ich, nette Frau, hat alle 2 Wochen das ganze Wochenende wirklich frei. Und auch Zeit mal in der Woche. Da kann man sich drauf einrichten, so schlecht ist das nicht.

Ach nö, heute ist mal wieder die Hölle los. Komme einfach nicht dazu, mal nach dem Video beim Eintreffen des Fliegers zu schauen, erst spät wieder kurz vor Schichtende. Meine Kollegen sind schon wieder auf dem Weg zu Bus, ja ja, ich mach dann hier zu.

Also los, wo kam doch gleich das Flugzeug entsprechend des Gepäckscheines am Koffer an? Terminal 2, Gate D26, Sonntag, 13:46Uhr. Leicht zu finden in dem Videoüberwachungssystem. Da ist der Gang vom Flieger zum Gate im Flughafengebäude.

Nach und nach quellen da jede Menge Passagiere entlang, kann man ganz gut alle sehen. Bisher noch keine junge Frau mit weißen Haaren. Nanu, alle durch, aber keine Helena! Noch mal, vielleicht hat sie sich etwas über die Haare geschoben. Ziemlich genau studiere ich nach und nach alle Gesichter, stoppe immer wieder, nichts. Moment. Letzter Versuch, wird jetzt etwas schwieriger, ich versuche mal die Anzahl der Passagiere im Gang zu zählen. 213 sind es am Ende, ich bin ziemlich sicher. Was sagt die Passagierliste aus Athen? 214 und die 5 von der Besatzung. Oh je, mir schwant Böses, ich komme wohl um eine Meldung nicht herum. Und dann ist der Koffer futsch, den sprengen die notfalls.

Frech meldet sich doch gleich wieder mal die eine Stimme in meinem Kopf, „Bist Du sicher, dass Du das wirklich willst?“ Nein natürlich nicht, wäre doch aber schade um die schönen Sachen! Die andere Stimme, offensichtlich mehr gesetzestreu, „Eve, sei eine brave Staatsbürgerin und melde.“ Ja, müsste ich, bin schließlich eine ordentliche Beamtin. Oder??? Ich beschließe, den freien Tag morgen zu nutzen, darüber nachzudenken. Und huch, halb 2, jetzt muss ich mich sputen, um wenigstens die 2Uhr-S-Bahn zu bekommen, kann dann immer noch nachdenken. Tschüss Koffer, bis übermorgen zur Frühschicht…

#eine Entscheidung

… zu der ich ziemlich müde gerade gekommen bin. Was haben mich die Beiden da oben seit gestern aber auch bearbeitet!

  • Du bist eine ordentliche Staatsbürgerin! -> Ist doch gar nichts passiert! Die Frau ist einfach nur hier nicht in Deutschland erscheinen, das ist das Problem der Griechen, nicht unseres.
  • Du musst es trotzdem melden! -> Warum?
  • Pfeif auf den Koffer! -> Sehe ich gar nicht ein!
  • Du hast Angst vor dem Virus, was dieser Kofferinhalt mit Dir anstellen könnte. -> Nein gar nicht, ich freu mich eigentlich sogar darauf.
  • Hast Du denn gar kein schlechtes Gewissen? -> Doch, ein bisschen.

So ging es lange hin und her, kaum auszuhalten! Und am Ende habe ich ein Machtwort gesprochen, man wird ja sonst noch verrückt. Hier wird nichts gemeldet und der Koffer bleibt in unserer Asservatenkammer, basta! Schluss jetzt!

Die letzte Diskussion ging dann nur noch darum, was mache ich eigentlich, wenn die Helena sich meldet? Mmh, ja, klar, ihr den Koffer mit einem Seufzen aushändigen. Und versuchen in Kontakt zu bleiben. Scheint eine interessante Frau zu sein. Damit waren sie zufrieden. Erstmal.

Ich weiß, dass der Koffer da nicht ewig stehen kann, gibt schließlich Vorschriften dafür. Aber fast bis zum Ende der maximal 3 Monate, bis zu der sich der Besitzer melden kann, schon. Und da ich ja meinen Namen schon dran gepappt habe, wird den auch keiner anfassen. Jeder ist froh, wenn er Arbeit auf den anderen abschieben kann. Darf es nur nicht zu auffällig machen, wenn ich da ab und zu mal reinlinse. Am besten abends nach der Spätschicht nur, da finden sich schon Gelegenheiten.

So gehen die Tage, Wochen, nunmehr fast 3 Monate ins Land und ich bete. Bete darum, dass sich Helena Christos -nicht- mehr meldet! Ich habe halt immer noch einen Riesenrespekt vor diesem, fremden Eigentum. Aber ich merke es, meine Begierde, die Freude, in Helenas Koffer hinsehen, Teile daraus hinausnehmen, an ihnen schnüffeln und diesen immer mehr animierenden Vanillegeruch einzusaugen, wird immer größer. Musste mich schon ein paar Mal während des Dienstes beherrschen, nicht nach hinten ins Lager zu gehen, darf ja nicht auffallen. Und so schade, dass ich mich seinem Inhalt nur in den Nächten nach der Spätschicht ein wenig widmen kann. Nein, außer Auspacken und Bewundern, an mich halten, manchmal auch pressen, die ungewohnte Feuchtigkeit dabei in der Mitte meines Körpers zu bemerken, traue ich mich nicht. Ich ahne, dass dieses, mich langsam in seinen Bann ziehende Material empfindlich ist. Wie soll ich es Helena erklären, wenn da was nun defekt wäre? Oder irgendwie verschmutzt? Mich plagt eh schon das schlechte Gewissen, in ihren Sachen herumzuwühlen. Aber es macht langsam süchtig, ich muss mir was einfallen lassen für die Zeit nach den 3 Monaten. Ich -will- diesen Kofferinhalt offiziell für mich haben! Sorry Helena.

#der Plan

Morgen sind die 3 Monate rum, jetzt muss ich was tun. Oder besser, jetzt kann ich endlich was tun. Nein, stehlen kommt nicht in Frage, dass verbietet mir schon mein Beamtenschwur. Was sagt doch gleich das Diensthandbuch für solche Fälle ‚herrenloser‘ Dinge? ‚Bitte bringen Sie das Gepäckstück spätestens 3 Monate nach Auffinden zum Fundbüro Ihrer Dienststelle, sie wird sich dann um den weiteren Ablauf kümmern.‘

Hihi, von wegen -herrenlos-, das geile Köfferchen ist ja eigentlich -damenlos-, grinst da jemand von oben aus meinem Kopf. „Und was passiert dort im Fundbüro?“, fragt die andere Stimme neugierig. Naja, der geht dann zur Kofferversteigerung, die findet etwa alle 4-6 Wochen statt, die Termine sind im Internet zu finden. Die nächste wäre übrigens schon am Samstagvormittag in Neu-Isenburg. Hab‘ mich mal kundig gemacht deswegen. Es ist mein freies Wochenende und ich könnte ja rein zufällig mal hingehen und auf ihn bieten. Klingt doch nach einem guten Plan, oder? Ein letztes Mal verschließe ich ihn hier wieder, dieses Mal alle 3 Schlösser so richtig, wie es sich gehört. Besser ist das, ich hoffe, Du gehörst bald mir, mir alleine. Und streiche noch ein wenig gedankenversunken darüber.

Jetzt muss ich nur noch zur Frühschicht am nächsten Tag dafür sorgen, dass er nicht so neu und so wertvoll aussieht. Diese Seiten im Internet meinten ja auch als Tipps für den Ersteigerer, „Achten Sie auf den Zustand des Koffers, je neuer und hochwertiger er aussieht, um so höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auch neuere und hochwertige Gegenstände enthält.“ Umso höher ist dann auch der Preis, war gemeint.

Na, da können wir doch was tun. Mein Zoll-Aufkleber kommt auch erst mal wieder ab, hinterlässt schon mal ein unschönes Zeichen auf dem Plastik, ist mir recht. Auf dem Weg zum Fundbüro ecke ich dann noch ‚rein zufällig‘ mehrfach an einige Dingen und Kanten ziemlich heftig an, lasse ihn auch mal in einer stillen Ecke kurz über den Boden schleifen. Jetzt sieht er mit seinen Schrammen schon viel verwahrloster aus, als er noch vor kurzem war. Bin zufrieden mit meinem Werk, als ich im Fundbüro eintrudle.

Jetzt nichts anmerken lassen. „Hallo Kollegen, ich habe hier noch was für euch, stand 3 Monate bei uns im Zollamt herum und wurde irgendwie vergessen. Habe ich gerade beim Aufräumen gefunden, ist doch noch OK so und erspart euch die Lagerung, oder?“, schmunzle ich sie mit meinem schönsten Lächeln an. Und gebe ihnen noch die notwendigen Übergabepapiere. „Alles dabei“, meinen sie nickend, „3 Monate, passt.“ Und nein, eine Helena Christos hat sich auch hier nicht gemeldet, hat jetzt eben Pech gehabt. Ginge dann gleich mit auf die Versteigerung noch mit am nächsten Samstag. Und schon war ich wieder draußen, mein Grinsen war kaum wieder aus dem Gesicht zu bekommen bis zu unserer Dienststelle! Jetzt muss ich Teil 2 des Planes nur noch hinbekommen, dann ist dieses tolle Köfferchen samt Inhalt Samstagabend hoffentlich dann meine.


(gesamtes) Inhaltsverzeichnis